Die am 1.8.2023 gültige sogenannte Mantelverordnung wirft einige Fragen auf. Der V18 hat daher folgendes Schreiben an die Bundesumweltministerin versandt.

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An die
Bundesministerin
für für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
Steffi Lemke
Stresemannstraße 128 - 130
10117 Berlin

05.09.2022

Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Lemke,

mit der „Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung“ wird erstmals eine rechstverbindliche bundeseinheitliche Grundlage für die Verwertung mineralischer Reststoffe geschaffen. Gleichzeitig wird die Bundesbodenschutz-Verordnung an den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen und vollzugspraktischen Erkenntnisse angepasst. Die Verordnungen treten am 1. August 2023 in Kraft.

Als Verband des nachsorgenden Bodenschutzes haben wir die Gestaltung der Mantelverordnung und die Diskussionen intensiv verfolgt und durch Stellungnahmen und Beteiligung an Anhörungen aktiv mitgewirkt. Die Verabschiedung dieser Mantelverordnung, und damit das Ende der langwierigen Diskussionen, haben wir mit Dankbarkeit aufgenommen. Bei der Beschäftigung mit dem verabschiedeten Verordnungstext stoßen wir aber auf Widersprüche und Fragen. Wir gehen davon aus, dass Sie uns als Verordnungsgeberin diese Fragen beantworten könen:

Artikel 1: Ersatzbaustoffverordnung

§2 Begriffsbestimmung

Als Untersuchungsstelle gilt, wer nach der DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert ist. In der BBodSchV (§ 19 (1) werden bei den Anforderungen für die Probenahme neben der Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17025 auch die Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17020 und die Notifizierung nach Regelungen der Länder gemäß § 18 Satz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) genannt und dieser gleichgestellt. Diese Gleichstellung drückt die tatsächlich vorhandene Gleichwertigkeit dieser Kompetenzbestätigungen aus.

Auch innerhalb der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) werden unterschiedlichen Anforderungen an die Probenahme gestellt:,

  • Materialien, auch Boden und Baggergut, die nach den Kriterien der EBV als Ersatzbaustoff eingebaut werden, sind durch eine Untersuchungsstelle gemäß § 2 Nr. 10 EBV zu beproben. Die Untersuchungsstelle muss dabei nach DIN EN ISO/ICE 17025 (2018) akkreditiert sein. Inspektoinsstellen nach DIN EN ISO/IEC 17020 und notifizierte Untersuchungsstellen nach § 18 BBodSchG sind nicht zugelassen.
  • der Vorerkundung von Böden in situ, die Vorerkundung von Haufwerken am Anfallort sowie die Probenahme von Böden in situ (§ 14 ErsatzbaustoffV) wird auf Abschnitt 4 BBodSchV verwiesen. Dort sind nach DIN EN ISO/ICE 17025 oder DIN EN ISO/ICE 17020 akkreditierte und nach Länderregelung auf Basis von § 18 BBodSchG notifizierte Untersuchungsstellen gleichwertig angeführt.
  • Auch für den Einbau in, unter oder außerhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht erfolgt die Beprobung nach den Maßgaben von Abschnitt 4 BBodSchV, also wahlweise durch eine nach DIN EN ISO/ICE 17025 oder DIN EN ISO/ICE 17020 akkreditierte oder nach Länderregelung auf Basis von § 18 BBodSchG notifizierte Untersuchungsstelle.

Je nachdem, ob Materialien als Ersatzbaustoff oder für den Einbau in, unter oder außerhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht verwendet werden sollen, werden also unterschiedliche Anforderungen an die Untersuchungsstelle (akkreditiert oder notifiziert) gestellt. Erfolgt die Beprobung von Böden zur Deklaration im Hinblick auf die Verwendung als Ersatzbaustoff aus Haufwerken, muss die Untersuchungsstelle akkreditiert sein, erfolgt die Beprobung zu gleichem Zweck in situ, muss sie wahlweise akkreditiert oder notifiziert sein.

Diese Unterscheidungen ergeben unseres Erachtens keinen Sinn und laufen dem Ziel der Harmonisierung der Methoden und Vorschriften zuwider. Möglicherweise handelt es sich bei dieser unterschiedlichen Begriffsbestimmung der Untersuchungsstelle um eine Ungenauigkeit, die dem großen Zeitdruck bei der abschließenden Formulierung der ErsatzbaustoffV geschuldet ist.

Frage:

  • Stimmen Sie zu, dass die in § 19 (1) der BBodSchV festgelegte Gleichstellung der Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17025 mit der nach DIN EN ISO/IEC 17020 und der Ländernotifizierung sinngemäß auch für die Probenahme im Rahmen der Ersatzbaustoffverordnung gilt, unabhängig davon, ob das beprobte Material als Ersatzbaustoff, zur Verfüllung von Gruben oder zum Massenausgleich verwendet wird?

 § 8 EBV Probenahme

Für die Probenahme gelten die Anforderungen PN 98. Die Probenehmer müssen über die Fachkunde verfügen. Entsprechend den Ausführungen in den § 4 - § 6 EBV erfolgt die Probenahme aber durch die Überwachungsstelle nach § 2 Nr. 9 EBV (§ 5, § 7) oder durch die Untersuchungsstelle gemäß § 2 Nr. 10 EBV (§ 6) bzw. durch einen von der Untersuchungsstelle eingewiesenen sachkundigen Probenehmer.

Frage:

  • Müssen die Probenehmer Mitarbeiter der Untersuchungsstelle oder können das auch Dritte, z.B. Sachverständige mit entsprechender Qualifikation sein?
  • Welche Regelungen gelten für die Einweisung von Probenehmern durch die Untersuchungsstelle (Art, Umfang, Häufigkeit?)?
  • Muss der fachkundige Probenehmer, der die ordnungsgemäße Probenahme bestätigt, in das Qualitätsmanagement der Untersuchungsstelle eingebunden sein?

 § 14 EBV Untersuchungspflicht

In Absatz (2) wird für die Vorerkundung von Böden in situ, die Vorerkundung von Haufwerken am Anfallort sowie die Probenahme von Böden auf den Abschnitt 4 der BBodSchV verwiesen. Ein Verweis auf die Übergangsregelung der BBodSchV (§ 28), die zum Abschnitt 5 der BBodSchV gehört, fehlt in der EBV.

Frage:

  • Bedeutet das, dass für die Vorerkundung von Böden in situ, die Vorerkundung von Haufwerken am Anfallort sowie die Probenahme von Böden im Sinne der EBV bereits ab dem 1.8.2023 der § 19 Absatz 1 gilt, wonach die Probennahme von Sachverständigen Sinne des § 18 des Bundes-Bodenschutzgesetzes zu begründen, zu begleiten und zu dokumentieren ist und dass die Probennahme nur von einer nach DIN EN ISO/IEC 17025 oder DIN EN ISO/IEC 17020 akkreditierten oder nach Regelungen der Länder gemäß § 18 Satz 2 BBodSchG notifizierten Untersuchungsstelle durchzuführen ist?

Die Untersuchungspflicht gemäß § 14 EBV gilt für „nicht aufbereitetes Bodenmaterial und nicht aufbereitetes Baggergut, das in ein technisches Bauwerk eingebaut werden soll“.

Fragen:

  • Gelten diese Regeln demnach nicht für Bodenmaterial, das an Ort und Stelle wieder eingebaut werden soll?
  • Was gilt für nicht aufbereitetes Bodenmaterial, das zur Verfüllung von Abgrabungen, eines Tagebaus oder zum Massenausgleich bei einer Baumaßnahme verwendet werden soll? Gelten dort die Regelungen nach Abschnitt 4 BBodSchV?
  • Wenn ja, gilt für die Probenahme auch die Übergangregelung gemäß § 28 BBodSchV?

Der Begriff „Vorerkundung“ ist in der EBV nicht definiert. Nach § 18 BBodSchV dient die Vorerkundung der Einschätzung der Beschaffenheit der Böden und Materialien, insbesondere zur Ermittlung des erforderlichen Untersuchungsumfangs und analytischen Untersuchungsbedarfs, als Grundlage einer repräsentativen Probennahme, insbesondere zur Entwicklung einer geeigneten Probennahmestrategie und der Bewertung der Ergebnisse analytischer Untersuchungen, insbesondere bei deren Übertragung auf den Untersuchungsraum durch Auswertung von Hintergrundinformationen (Luftbilder, Kartenauswertung, Behördenschreiben, Augenscheinnahme, ggf. bodenkundliche Kartierung.

Fragen:

  • Ist für Haufwerke am Anfallort generell eine solche spezifische Probenahmestrategie vor der eigentlichen Beprobung durchzuführen?
  • Wer stellt die Einstufung nach den Materialwerten fest? Dieses ist nur für Ersatzbaustoffe aus Aufbereitungsanlagen geregelt (die Überwachungsstelle).

Materialwerte gem. Anlage 1 EBV

Die Materialwerte nach Anlage 1 EBV sollen hier nicht im Einzelnen diskutiert werden. Kritisch werden die folgenden Punkte gesehen:

  • Tabelle 3, Spalten 3 bis 5: Hier werden für unterschiedliche Bodenarten maximal zulässige Feststoffgehalte angeführt. Gem. Fußnote 3 sind bei Unterschreiten der angeführten Feststoffgehalte Eluatwerte „nicht maßgeblich“. Der V18 weist darauf hin, dass hierdurch im Einzelfall ggf. Bodenmaterialien mit einem erheblichen Grundwassergefährdungspotential aufgrund der Eluierbarkeit von Schadstoffen (z.B. sechswertiges Chrom) ohne Beachtung der Eluatwerte als Ersatzbaustoff der Materialklasse BM-0 / BG-0 auch in Einbauweisen eingebaut werden können, die im Hinblick auf den Grundwasserschutz empfinglich sind.
  • Bei den Stahlwerksschlacken (insbesondere Elektroofenschlacke) ist u.E. zu hinterfragen, ob das Stoffspektrum der Eluatwerte die tatsächliche, potentielle Gefährdungssituation ausreichend abdeckt.

Einsatzmöglichkeiten gem. Anlage 2 EBV

Bei der Konfigurationen der natürlich vorliegenden oder herzustellenden Grundwasserdeckschichten werden nur Sand oder Lehm, Schluff und Ton aufgeführt.

Fragen:

  • Bedeutet das, dass bei Kies eine Verwertung von Ersatzbaustoffen grundsätzlich ausgeschlossen ist, unabhängig von der Mächtigkeit der grundwasserfreien Kiesschicht und auch bei Materialwerten der Klasse BM-0?
  • Ist eine Verwertung von Ersatzbaustoffen auf Kiesstandorten möglich, wenn die Schutzfunktion einer Deckschicht aus z.B. sandigem Kies nach Hölting et al. (1995) nachgewiesen wird?

Die Zusammenstellung ist u.E. nicht erschöpfend und hinterlässt deutliche Unsicherheiten. Beispielsweise unterliegt Flugasche den Regelungen der EBV. Flugasche wird aber auch als Betonzuschlagsstoff in technischen Bauwerken eingesetzt.

Frage:

  • Wie ist bei der Verwertung eines Ersatzbaustoffes außerhalb der Tabellen, zum Beispiel von Flugasche als Betonzuschlagstoff, künftig umzugehen?

 Artikel 2, Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)

§ 19 Allgemeine Anforderungen an die Probennahme und § 28 Übergangsregelung

Fragen:

  • Gelten die allgemeinen Anforderungen nach § 19 auch für § 21 (Besondere Anforderungen für die Beprobung von Haufwerken), d.h. Probenahme durch akkreditierte oder notifizierte Untersuchungsstelle?
  • Und gelten dann für die Probenahme aus Haufwerken auch die Übergangsregelungen?

 

Nach § 28 gilt für die Anforderungen nach § 19 (1) BBodSchV eine Übergangsfrist bis zum 01.08.28. Für die Vorerkundung von Böden in situ, die Vorerkundung von Haufwerken am Anfallort sowie die Probenahme von Böden gemäß § 14 EBV gelten zwar die Anforderungen nach § 19 (1) BBodSchV, es wird aber nicht auf diese Übergangsfrist verwiesen.

Frage:

  • Ist das so zu verstehen, dass für die Probenahme von Haufwerken am Anfallort die besonderen Anforderungen an die Probenahme gemäß § 19 (1) bereits ab 1.8.2023 gelten, für andere Haufwerke dagegen erst ab 2028?

Artikel 4, Änderung der Deponieverordnung

Die Änderung der DepV, wonach eine Einstufung in die Deponieklassen 0 und I auch auf Grundlage der mit den Methoden der ErsatzbaustoffV ermittelten Materialwerte (2:1-Eluat!) bis zu BM-F3 erfolgen kann, greift zu kurz. Bei einer Überschreitung der Materialwerte BM-F3 muss das Material erneut nach den Methoden der DepV (10:1-Eluat gem. DIN 38414-S4) untersucht werden. Das führt zu Mehrfachanalysen und logistischen Problemen bei der Abwicklung großer Bauvorhaben. Im Zuge der Evaluierung sind daher dringend die Untersuchungsmethoden von Böden und Ersatzbaustoffen und die Methoden zur Untersuchung von Materialien nach DepV angeglichen werden.

Mit freundlichen Grüßen

V18 Vereinigung der Sachverständigen und Untersuchungsstellen nach §18 BBodSchG
K. Bücherl, Vorsitzender
J. Weindl, Stellv. Vorsitzender